Der Bildhauer: Walker Hancock
John Goodman spielt in den „Monuments Men“ den Bildhauer Walter Garfield. Diese Figur scheint mir auf der realen Person Walker Hancock zu beruhen, ebenfalls Bildhauer und als einer der ersten Kunstschutzoffiziere in Europa
Walker K. Hancock (1901-1998) studierte Bildhauerkunst an der Pennsylvania Academy of Fine Arts in Philadelphia. Er erhielt ein Stipendium an der American Academy in Rom, wo er von 1925-1928 seine Studien fortsetzte. Zurück in den Vereinigten Staaten wurde er 1928 zum Leiter der Bildhauer-Abteilung der Pennsylvania Academy of Fine Art ernannt.
Er trat 1942 in die Army ein (Medical Corps), wurde aber bald zum Nachrichtendienst versetzt. Nach einer Beförderung zum Lieutenant gelangte er ins Pentagon und wurde dort zum Captain befördert. Dort hörte er das erste Mal von der „Monuments, Fine Arts & Archives Section“ und bemühte sich um eine Aufnahme in die Gruppe der Kunstschutzoffiziere.
1943 wurde er nach England versetzt, wo er mit anderen MFA&A-Offizieren an den Handbüchern mit schützenswürdigen Kunstwerken arbeitete, die bei der Invasion zum Einsatz kommen sollten. Gemeinsam mit Bancel LaFarge arbeitete er am „French Handbook“, das insbesondere die Baudenkmäler Frankreichs auflistete, die bei militärischen Operationen berücksichtigt werden sollten.
Nach D-Day sandte man Hancock nach Paris, wo er mit einem kleinen Team aus Kunstschutzoffizieren Richtung Deutschland zog, um die Auslagerungsstätten aufzufinden und die dort gelagerten Kunstwerke sicherzustellen. Unter anderem entdeckte er die Kupfermine von Siegen, wo er die Kunstwerke aus dem Aachener Domschatz Karls des Großen auffand. Auch bei der Auffindung der Mine in Bernterode war Hancock beteiligt.

Die in Siegen gefundenen Kunstwerke brachten die Monuments Men nach Marburg, wo ein Central Collecting Point unter Hancocks Leitung den modernen Gebäuden des Staatsarchivs an der Marburger Universität eingerichtet wurde. Dieses Gebäude hatte zwar auch unter den Bombenabwürfen gelitten, aber es war vor dem Krieg das zweitgrößte Archivgebäude in Deutschland und feuerfest. Dort wurden unter der Leitung von Captain Walker Hancock insgesamt 3.457 Kunstwerke gelagert und betreut.
Hancock sah sich vor die schwierige Aufgabe gestellt, das Gebäude des Staatsarchivs soweit wiederherzustellen, dass es Kunstwerke beherbergen konnte. Trotz kriegsbedingter Knappheit an Materialien wie Fensterglas und geeignetem Personal gelang es Hancock innerhalb von einer Woche nach der ersten Inaugenscheinnahme des Gebäudes soweit ausreichende Wiederherstellungsmaßnahmen durchzuführen, dass die erste Lieferung von Kunstgegenständen aus Siegen eintreffen und verwahrt werden konnte. Die in Marburg eingelagerten Kunstwerke waren ausschließlich aus deutschem Besitz. 766 Kunstgegenstände (Gemälde, Skulpturen und Dekorative Kunst) aus dem Rheinland, die in der Kupfermine in Siegen aufgefunden worden waren, fanden ihren Weg nach Marburg. Auch der Kathedralschatz von Aachen wurde nach seinem Auffinden in diesen CCP transportiert.
Walker Hancock bereiste die umliegenden Auslagerungsstätten und verbrachte die meisten der dort aufgefundenen Inhalte nach Marburg. Eine Ausnahme stellt dabei der Fund aus Bad Wildungen dar. In den beiden Bunkern fand das Aufklärungsteam um Walker Hancock so günstige Lagerungsbedingungen vor, dass sie beschlossen, die dort vorhandenen Kunstgegenstände vor Ort zu belassen.
Der Marburger CCP beendete seine Tätigkeit bereits am 19. August 1946 mit der feierlichen Überführung der Leichname von Friedrich dem Großen, Friedrich Wilhelm I. von Preußen sowie von Reichspräsident Paul von Hindenburg und seiner Frau in die Marburger Elisabethkirche, wo sie nach kriegsbedingter Auslagerung in der Salzmine ihre letzte Ruhestätte fanden.
Gegen Ende des Jahres 1945 endete sein Militärdienst in Europa und Hancock kehrte nach Philadelphia zurück, wo er seine Arbeit an der Pennsylvania Academy of Fine Art bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1967 fortsetzte. Wie viele seiner Monuments-Men-Kollegen veröffentlichte Hancock nach seiner Rückkehr in die Vereinigten Staaten seine Kriegserlebnisse im College Art Journal („Experiences of A Monuments Officer in Germany“) im Mai 1946. Zahlreiche seiner Skulpturen finden sich in amerikanischen Sammlungen und in öffentlichen Gebäuden. Er starb 1998 in Gloucester, Massachusetts.